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Julia Kleinekemper
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Ein letzter Abschied? Goodbye, Tommies?

Sie gehören ein bisschen zu Paderborn wie fish zu chips: Die britischen Soldaten. Junge Paderborner sind mit ihnen groß geworden und ihr Abzug ist seit Jahren immer wieder Thema in der Stadt und in der Umgebung. Das große Datum war dabei immer 2020 - bis dahin sollten erst alle Soldaten abgezogen sein. Dann hieß es, es bleiben 200 Soldaten. Aber was ist der aktuelle Stand der Dinge? Sind wirklich alle gegangen, wie viele sind noch hier? Wie hat sich das Stadtbild verändert und wie wird es sich noch weiter verändern? Werden die Immobilienpreise einbrechen, wie immer wieder mal prognostiziert? All das wollten wir im Mai 2020 klären und wir sagten ein letztes Mal: Goodbye, Tommies - und: Auf Wiedersehen ;-)


2020 - Britenabzug in Paderborn. Und jetzt? Mike Whitehurst, Sprecher der britischen Armee, dazu:


Konversion: Was wird aus den Kasernen, den Wohngebieten?

Vieles wird sich in den nächsten Jahren in Paderborn verändern - maßgeblich dazu beitragen werden die Veränderungen durch Umnutzungen der Kasernengelände. Wir haben für noch einmal nachgefragt, wie dort der aktuelle Stand der Dinge ist.

Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Die etwa 18 Hektar große Kaserne am Rande des Riemekeviertels in Paderborn war im September 2016 die erste Kaserne, die von den britischen Streitkräften freigegeben wurde.
Zwischenzeitlich war das Gelände mal als neue Heimat der Paderborner Stadtverwaltung im Gespräch.

Inzwischen plant die Stadt dort ein urbanes Quartier mit rund 800 Wohneinheiten, Gewerbe- und Dienstleistungsflächen, einer Kita und kultureller Nutzung. Rund 30 Prozent der Wohnungen werden im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus durch die städtische Wohnungsgesellschaft errichtet.

Auf dem Gelände bleiben elf Gebäude und der ehemalige Exerzierplatz aus Denkmalschutzgründen erhalten. Seit Oktober laufen Rückbauarbeiten, die bis Mitte 2021 abgeschlossen sein sollen. In der zweiten Jahreshälfte 2021 könnten dort erste Hochbauarbeiten beginnen.


Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Das Gelände ist rund 54 Hektar groß und liegt im Osten von Paderborn an der Driburger Straße. Die Kaserne wurde bis November 2019 geräumt und von den Briten an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übergeben. Auf dem Gelände stehen rund 130 Gebäude, die keinen Denkmalschutz genießen. Einige Gebäude sind so gut erhalten, dass sie weiter genutzt werden könnten.

Im Januar 2020 hat die Stadt Paderborn das Vorkaufsrecht für die Kaserne erhalten. Bis zu einer möglichen Kaufentscheidung durch den Rat wird aber wohl noch viel Zeit vergehen, denn die Planungen für das Gelände sind umfangreich.

Die Stadt sieht hier die Chance, ein modernes und smartes Pilotquartier mit Wohnungen und Büros zu schaffen. Es gibt schon Pläne mit der Universität Paderborn, auf einem Teil des Kasernengeländes den sogenannten „Akzelerator.OWL“ anzusiedeln. Dabei handelt es sich um ein mit 20 Millionen Euro gefördertes Projekt des Wettbewerbs „Exzellenz Start-up Center.NRW“. Hier sollen Gründer, Forscher und Unternehmen in Sachen Digitalisierung kooperieren.

Ziel der Stadt ist es, einen Masterplan für das komplette Areal zu entwickeln. Ein Anhängsel des Kasernengeländes ist der Sportplatz am Piepenturmweg. Auch hier hat die Stadt das Vorkaufsrecht. Dort sollen Wohnhäuser und eine Kita entstehen.


Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Die Dempsey-Kaserne zwischen Paderborn-Schloß Neuhaus und Sennelager ist rund 20 Hektar groß. Sie ist seit November 2019 komplett geräumt und wurde der Stadt Paderborn im Januar durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Kauf angeboten. Bis Juli muss die Stadt offiziell ihr Interesse an dem Gelände erklären und grobe Nutzungskonzepte vorlegen.

Danach würde dann zunächst der Wert der Kaserne ermittelt, bevor der Rat am Ende (voraussichtlich Ende 2021) über den Kauf entscheiden muss. Das Gelände mit 45 Gebäuden und Sportplätzen wurde teilweise Anfang der 1980er Jahre modernisiert.

Ein aktuelles Konzept der Stadt sieht vor, dort bis zu 300 Wohneinheiten und Gewerbeflächen zu schaffen. Auch hier ist zu 30 Prozent geförderter Wohnungsbau vorgegeben. Teile der Gebäude und ein Wald sollen erhalten bleiben. Denkmalschutzwürdig ist auf dem Gelände nichts.

Zurzeit läuft ein städtebaulicher Wettbewerb. Im Mai soll ein Entwurf vorliegen, der dann in die politischen Beratungen geht.


Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Für die etwa 250 Hektar große Normandy-Kaserne in Paderborn-Sennelager (etwa 200 Gebäude) und die knapp 31 Hektar große Athlone-Kaserne mit 50 Gebäuden an der Husarenstraße in Schloß Neuhaus wurde Mitte 2018 bekannt gegeben, dass die britischen Streitkräfte sie weiter nutzen und deshalb nicht komplett räumen werden.

Etwa 200 Soldaten sollen mit ihren Familien am Standort verbleiben.

Dementsprechend werden auch viele der rund 400 Wohnungen auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Senne weiter genutzt.

Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Quelle: Stadt Paderborn - Stadtplanungsamt – Luftbild: Gerd Vieler

Das 385 Hektar große Panzerübungsgelände nordöstlich der B64 wurde Mitte 2015 zum „Nationalen Naturerbe“ erklärt.

Das heißt, die Fläche wurde allein dem Naturschutz gewidmet.


Foto: Julian Jakobsmeyer

Insgesamt gibt es in Paderborn, Schloß Neuhaus und Sennelager rund 1.500 Wohneinheiten, die bisher von den britischen Soldaten und ihren Familien genutzt wurden. Etwa die Hälfte davon (an 14 verschiedenen Standorten) gehört der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die andere Hälfte ist in Privatbesitz.

Die BImA wird entgegen früherer Ankündigungen die Nachnutzung ihrer Wohnungsbestände in Paderborn selbst steuern. Die frei gezogenen Wohneinheiten in der Kernstadt sollen ab 2020 zur Vermietung angeboten werden. Konkret geht es dabei um insgesamt knapp 400 Wohneinheiten an der Uhlandstraße, der Raabestraße, der Rathenaustraße und der Adelheidstraße. Zwischen der BImA und der Stadt Paderborn finden zurzeit Abstimmungsgespräche statt, um gemeinsam über die Nachnutzung der Wohnungen zu entscheiden.

Etwa 400 Wohnungen liegen auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Senne und werden weiter von den Briten genutzt.

Auch und vor allem in Sennelager wird es für die Stadt schwierig, bei der Nachnutzung der Wohnungen planerisch eingreifen zu können. Ein Großteil der dortigen ehemaligen britischen Wohnungen sind in Privatbesitz. Das erschwert auch die Umsetzung des für Sennelager gestarteten Erneuerungskonzeptes.

Es sieht unter anderem Straßen- und städtebauliche Maßnahmen, energetische Sanierungen vorhandener Gebäude und die Erhöhung der Aufenthaltsqualität vor.


Good old times - wir haben mit einem Barkeeper über die alten Zeiten in der Kneipenszene gesprochen


Wir bleiben hier! Britische Ex-Soldaten werden Paderborner:

Deutsch ist eine verdammt schwere Sprache, das merken seit einigen Monaten auch Briten, die versuchen eine deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen. Über Jahre haben sie in ihren britischen Gemeinschaften gelebt, haben bei der britischen Armee gearbeitet und so auch kaum Kontakt zu Deutschen bekommen. Das wollen viele jetzt ändern, denn sie haben über Jahre beispielsweise in Paderborn gelebt, fühlen sich hier wohl und möchten hier auch sesshaft werden. Im Sommer 2019 haben wir in eine "Schulklasse" vorbeigeschaut, genauer gesagt in einem Sprachkurs und gefragt, wie es läuft:


Phil war über Jahre Koch bei der britischen Armee. Er hat unter in der brütenden Hitze in Afghanistan gekocht, für Soldaten, aber auch für die Royals. In Paderborn verliebte er sich und nun bleibt er hier, auch nach dem Abzug der Briten. Er arbeitet in einem Restaurant in einem Paderborner Stadtteil und geht seiner Leidenschaft nach: dem Kochen.


Wie wird sich der Immobilienmarkt in Paderborn entwickeln?

Wir haben darüber mit Matthias Thater, Immobilienmakler in Paderborn, gesprochen.

 

Ganz oft hat man in den vergangenen Jahren gehört: Ich würde mir gerne ein Haus oder eine Wohnung kaufen, aber ich warte lieber noch ab. 2020, wenn die Briten endgültig weg sind, gehen die Preise bestimmt noch mal runter und hinterher ärgere ich mich dann. Was meinen Sie dazu?

Matthias Thater: Also: Immobilienpreise sind nicht wie Aktienkurse und keine kurzfristigen Entwicklungen. In 2020 rechne ich bei Verkaufsimmobilien mit weiter sehr hohen Preisen, allenfalls mit einer Seitwärtsbewegung. Der langfristige Trend, den wir jetzt seit Jahren haben, mit deutlich anziehenden Preisen - da vermute ich: Das wird dieses Jahr wegen der Corona-Krise nicht passieren. Aber die Preise werden auch nicht nachgeben. Warum ich das glaube: Wir stellen eine nach wie vor eine enorm hohe Nachfrage im Verkaufsbereich fest. Darüber hinaus ist es so, dass es keinen plötzlichen Preiseinbruch geben konnte, weil das Ganze ein schleichender Prozess war. Bereits seit drei Jahren werden Häuser, die von Briten bewohnt waren, im Markt verkauft. Dieser Abverkauf hat 2019 allerdings deutlich zugenommen. Es gibt ja so ein paar Standorte in Paderborn, die bekannt dafür sind, dass dort um die Jahrtausend-Wende verstärkt für die Briten gebaut wurde. Und an diesen Standorten wurde tatsächlich im vergangenen Jahr eine ganze Menge verkauft.

 

Welche Standorte sind das genau?

Matthias Thater: Das sind zum Beispiel Siedlungen am Piepenturmweg in Paderborn. Und allein im letzten Jahr hat es in diesem Bereich sehr viele Verkäufe gegeben - im Bereich der Reihenhäuser und Doppelhaushälften. Dort wurden auch verhältnismäßig hohe Preise erreicht. Jetzt muss man bei diesen Häusern wissen: Die sind ein bisschen speziell. 

 

Warum sind die Häuser "speziell"? Was heißt das genau?

Matthias Thater: Sie sind "speziell" in den Grundrissen. Ein Paderborner würde so nicht unbedingt ein Haus bauen. Die britischen Kinder scheinen kleiner zu sein als Paderborner Kinder (lacht), denn irgendwie kommen sie mit deutlich kleineren Zimmern aus als das hier üblich ist. Und eben weil diese Häuser so speziell sind, führt das eben dazu, dass man dafür keine Höchstpreise bekommt. Und es führt auch dazu, dass an einem Standort der gleiche Haustyp zigfach angeboten wird. Entsprechend haben wir festgestellt, dass dort eben keine Höchstpreise erzielt wurden, aber es wurden ob der Art der Häuser trotzdem sehr ordentliche Preise bezahlt. 

 

Nun haben wir bei Radio Hochstift ja auch schon darüber berichtet, dass einige Ex-Briten-Häuser mit einem Denkmalschutz versehen sind. Was sind das allgemein für Häuser in Paderborn? 

Matthias Thater: Über die Häuser, über die wir hier reden in Paderborn, die jetzt verstärkt im Markt waren, das ist im Grunde bautechnisch gesehen fast Neubau. Das sind alles Gebäude, die erst in den letzten 20 Jahren errichtet wurden, die auch grundsätzlich technisch dem aktuellen Stand entsprechen. 

 

Wenn ich als Kleinfamilie das jetzt lese und sage: Auch wenn es für diese Objekte vielleicht hohe Preise waren, aber vielleicht sind die Häuser ja trotzdem noch günstiger als andere, die in Paderborn verkauft werden. Ich wittere eine Chance günstig an ein Eigenheim für meine Familie zu kommen - bloß: Wie viel ist überhaupt nich da?

Matthias Thater: Das ist sehr schwer zu sagen. Die Schwierigkeit ist, dass man nicht genau sagen kann, wie viele Häuser überhaupt in den Markt kommen. Insgesamt kennen wir zwar die Anzahl der Häuser, die von den Briten bewohnt waren. Aber die befinden sich ja teilweise im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die hat ja entschieden, die Häuser gar nicht in den Verkauf zu geben. Sie will nämlich vielleicht selber irgendwann mal vermieten. Dann sprechen wir über Gebäude, die auf Kasernenflächen stehen, die überhaupt nie dem Markt zugeführt werden können. Außerdem sprechen wir über Häuser, die auch teilweise in den 60er Jahren errichtet wurden und die in so einem baulichen Zustand sind, dass man eigentlich nur noch mit einem Bagger dagegen fahren kann. Und von dem kleinen Rest, der dann übrig bleibt und der auch im Streubesitz ist - da wissen wir ja nicht: Wer von den Eigentümern möchte überhaupt verkaufen? Und wer möchte weiter vermieten? Deshalb ist es schwer, die Frage zu beantworten, wie lange die Häuser noch im Markt sind. Ich glaube persönlich, dass ist ein Vorgang, der im Laufe dieses Jahres noch abgeschlossen sein wird. Es werden dann immer mal wieder vereinzelt Objekte in den Markt kommen. Aber das dann durch Leute, die sich zunächst entschlossen hatten, zu vermieten. Und wenn dann ein Mieterwechsel beispielsweise irgendwann mal ansteht, dann kann sich deren Situation verändert haben und dann wollen sie vielleicht verkaufen. Das wird etwas sein, was uns noch jahrzehntelang begleitet, denn diese Gebäude bleiben ja im Markt.