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Susanne Stork
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Missbrauch in Lügde

Lügde - Der Prozess

Der Urteilstag

"Es fällt schwer, das Geschehen auf dem Campingplatz zu begreifen, auch nach zehn Prozesstagen. Es bleibt die Fassungslosigkeit. Widerlich und monströs beschreiben das Ganze noch nicht genug. Traurig ist, dass solche Fälle leider keine Besonderheit sind. Auch die Anzahl der Missbräuche ist nicht Besonderes. Ungewöhnlich ist allein der lange Tatzeitraum (32 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betroffen - zur Tatzeit waren die Opfer vier bis 14 Jahre alt). Das Geschehen lässt befürchten, dass noch mehr Opfer da sind."

Unter anderem mit diesen Worten begründete die Vorsitzende Richterin Anke Grudda am 5. September 2019 eine Dreiviertelstunde lang das Urteil im Lügde-Prozess. Das Landgericht Detmold verurteilte die beiden Camper Andreas V. und Mario S. zu 13 bzw. zwölf Jahren Gefängnis. Für beide Männer ordnete das Gericht außerdem die anschließende Sicherungsverwahrung an.

 

Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda hat heute das Urteil im Lügde-Prozess gesprochen.

 

Auch an die beiden Männer richtete Anke Grudda direkt einige Worte: "Sie haben die Kindheit von 32 Kindern belastet, wenn nicht sogar zerstört. Das alles ist Ihre persönliche Schuld. Ihre Taten sind durch nichts zu entschuldigen, ich habe keine Zweifel, dass Ihnen das klar war. Die Kinderliebe war nur Fassade, hinter der Sie Ihre Pädophilie versteckt haben. Sie haben die Kinder emotional gebunden und gefügig gemacht. Die Kinder haben Sie geliebt und Ihnen vertraut, dadurch ist bei vielen Kindern eine tiefe innere Zerissenheit entstanden."

Die Richterin ist auch darauf eingegangen, warum die Kammer nicht die Höchststrafe von 15 Jahren verhängt hat: "Beide Angeklagten sind nicht vorbestraft, aber der wesentliche Grund ist: Beide haben Geständnisse abgelegt. Ohne die hätten alle Kinder (auch die, die jetzt nicht beim Prozess waren) jeden einzelnen Übergriff detailliert schildern müssen." Keine Vorstrafe und ein Geständnis sind rechtlich zwingend strafmildernd zu berücksichtigen.

Mario S. (links) und Andreas V. (hinter dem Ordner) heute im Gerichtssaal

 

Einige Prozessbeteiligte sagten uns gegenüber bereits, dass es unwahrscheinlich sei, dass das Urteil angefechtet wird.

Vor der Urteilsverkündung am 5. September war die Empore vor dem Sitzungssaal 165 im Landgericht Detmold voll von Pressevertretern und Zuschauern. Wie zu erwarten war, war das Medieninteresse am letzten Tag des Lügde-Prozesses riesig.

Besonderheit: Die Nebenkläger waren in einem separaten Raum eine Etage unter dem Saal untergebracht und mussten den Urteilsspruch per Videoleinwand verfolgen. Zwei Betroffene hatten sich deswegen bei einem JVA-Bediensteten beschwert. Sie konnten nicht nachvollziehen, dass die Presse in den Sitzungssaal darf und die Nebenkläger nicht.

Die Empore vor dem Sitzungssaal 165

Am vorletzten Verhandlungstag (30. August) waren weitere Plädoyers der Nebenklage und die Schlussvorträge der beiden Verteidiger geplant. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits zwölfeinhalb und 14 Jahre Haft für die Angeklagten gefordert. Außerdem will sie für beide die Sicherungsverwahrung. Beide Verteidiger hatten nach der Aussage der Gutachterin angezweifelt, ob damit eine Sicherungsverwahrung zu begründen ist.

Gleich zu Beginn des Verhandlungstages hat das Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen, weil es in den Plädoyers und in den Schlussworten der Angeklagten um Einzelheiten zu den Opfern ging.

Anwalt von Andreas V. fordert zwölf Jahre Haft
Verteidiger Johannes Salmen beantragte für den angeklagten Mann aus Lügde zwölf Jahre Gefängnis. Zum Thema Sicherungsverwahrung äußerte er sich nicht. Der Verteidiger des zweiten Angeklagten Mario S. aus Steinheim hatte keinen konkreten Strafantrag gestellt, also nicht beziffert, wie hoch die Haftstrafe sein soll. Weil sein Mandant die Vorwürfe zugegeben und Reue gezeigt hat, bat er um "möglichst großes vertretbares Entgegenkommen". Andreas V. und Mario S. hatten beide am ersten Verhandlungstag Ende Juni gestanden.

Die Angeklagten blieben stumm
Am Ende des vorletzten Verhandlungstages gebührte den beiden Angeklagten das letzte Wort. Mario S. aus Steinheim hatte sich während des Prozesses bereits selbst geäußert, Andreas V. aus Lügde nicht. Das „letzte Wort“ ist nicht auf den Anwalt übertragbar.Die beiden Angeklagten nahmen das Recht auf das letzte Wort am Ende  nicht wahr

Urteil am 5. September
Der Prozess um die Missbrauchsserie von Lügde wird nächsten Donnerstag (5.9.) zu Ende gehen, dann will das Gericht das Urteil gegen Andreas V. und Mario S. sprechen.

 


Der neunte Prozesstag

Psychiaterin Marianne Miller begutachtete Andreas V. und Mario S.

 

Der Prozess um die Missbrauchsserie von Lügde geht in die Schlussphase. Am 16. August hat das Landgericht Detmold die Beweisaufnahme geschlossen. Vorher hat die Psychiaterin Marinne Miller ihr Gutachten zu dem angeklagten Andreas V. vorgestellt.

Gutachten zu Andreas V.

Sie sieht auch bei Andreas V. eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit - egal, wie lange er im Gefängnis sitzt. In ihrem Gutachten beschreibt sie den Dauercamper als narzisstische Persönlichkeit mit manipulativen Tendenzen. Außerdem bescheinigt sie dem Mann pädophile Neigungen. Aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeit halte sie es für schwierig, den Mann zu therapieren - auch angesichts seines Alters. Damit wird auch für Andreas V. eine anschließende Sicherungsverwahrung nach Absitzen seiner Haftstrafe immer wahrscheinlicher.

Sein bisheriges Leben verlief nach Ansicht der Gutachterin recht normal. Er habe mit 17 Jahren seine erste Freundin gehabt und auch in der Zeit danach Beziehungen mit gleichaltrigen Frauen geführt. In den Gesprächen sagte er, dass der Sex mit seinen Ex-Freundinnen nie erfüllend gewesen sei.

Lange Haftstrafen und Sicherungsverwahrung gefordert

Die beiden Staatsanwältinnen der Detmolder Anklagebehörde Jacqueline Kleine-Flaßbeck und Helena Werpup haben ihre Schlussverträge unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten.

Die Detmolder Staatsanwaltschaft fordert 14 Jahre Haft für Andreas V. (56) und zwölfeinhalb Jahre Haft für Mario S. (34). Bei beiden Angeklagten fordern die Ankläger, dass sie nach Absitzen ihrer Haftstrafen in die Sicherungsverwahrung kommen. Die Höchststrafe bei schweren sexuellen Kindesmissbrauchs sind 15 Jahre. Die Staatsanwaltschaft hat in ihren Forderungen die Geständnisse der beiden Angeklagten strafmildernd berücksichtigt. Beide sind außerdem nicht vorbestraft.

Das Urteil fällt voraussichtlich am 5. September

 

Andreas V. wird im Rollstuhl in den Verhandlungssaal gebracht


Der achte Prozesstag

Am achten Prozesstag wurde wieder deutlich, wie viel Schaden die Kinder davongetragen haben. Außerdem erklärte eine Gutachterin den Angeklagten Mario S. für voll schuldfähig und empfahl die Sicherungsverwahrung.

Es war der letzte Verhandlungstag, an dem das Gericht die Opfer befragte. Drei Kinder hatten ihre Teilnahme an dem Prozess abgesagt. Richterin Anke Grudda hatte daher mehrere Erklärungen verlesen. Darin äußerten die Kinder ihre Angst, dass die beiden Männer aus dem Gefängnis ausbrechen könnten. In schriftlichen Schilderungen von Psychologen und Opferbetreuern ist die Rede von Alpträumen mit Killer-Clowns, schulischen Probleme und völlig verunsicherten Persönlichkeiten. Die Kinder hätten Schwierigkeiten, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden. Teils fürchteten sie sich vor der Marke "Adidas", weil die Marke an den Namen "Addi" erinnere. (Anm. d. Red.: Spitzname von Andreas V., so sollten ihn die Kinder nennen.)

"Herr V., können Sie der Verhandlung folgen?"
Anke Grudda, Vorsitzende Richterin

Diese Frage richtete die Vorsitzende Richterin Anke Grudda an den Angeklagten Andreas V. Denn V. wirkte gesundheitlich extrem angeschlagen. Er zitterte am ganzen Körper, musste seinen zitternden Arm teilweise mit dem anderen festhalten, hatte Kratzspuren am Körper. Die Verhandlung musste aufgrund seiner starken Schmerzen unterbrochen werden. Später teilte sein Anwalt dann mit, dass der Angeklagte an der Viruserkrankung Gürtelrose erkrank ist. Aufgrund seiner Schmerzen wurde Andreas V. nach der Hälfte des Verhandlungstages beurlaubt und zurück ins Gefängnis gebracht.

Polizist sagt aus

Am achten Verhandlungstag hat das Gericht außerdem den ersten und einzigen Polizeibeamten gehört, der in der Ermittlungskommission "Eichwald" für die Aktenführung zuständig ist. Der Bielefelder Polizist nannte die Aktenführung der Polizei Lippe "unzureichend". Alles hätte komplett neu aufgebaut werden müssen. Auch die Vernehmung der Opfer habe nicht den Standards entsprochen. Ebenso die Durchsuchung der Tatorte. "Daraufhin haben wir alles nochmals an mehreren Tagen komplett
durchsucht und massenhaft Beweise sichergestellt", sagte der 58-Jährige. Er sprach von rund 1000
Einzelstücken, darunter Wäsche und Sexspielzeug mit DNA-Spuren.

"Er hat eine tiefverwurzelte Neigung und damit eine hohe Rückfallgefahr"
Marianne Miller, Psychiaterin

In ihrem Gutachten bescheinigt die Psychiaterin dem Angeklagten Mario S. aus Steinheim eine pädophile Störung. Da er bereits seit seiner eigenen Pubertät und damit seit vielen Jahren Kinder sexuell missbraucht haben soll, geht die Gutachterin von einem Hang zu diesen Taten aus. Das heißt, dass es laut der Expertin wahrscheinlich ist, dass der Mann auch nach Absitzen seiner möglichen Haftstrafe Kinder missbrauchen wird. Sie empfahl dem Gericht daher die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Mario S. würde dann auch nach Absitzen der Haftstrafe nicht freikommen.

Auch am achten Verhandlungstag wurde vor dem Landgericht in Detmold demonstriert - und zwar für eine Abschaffung der Verjährung bei Missbrauchsfällen.

 

Vor dem Landgericht gab es wieder Protest

Der siebte Prozesstag

Weil Andreas V. ja erkrankt war und der Prozess zu platzen drohte, wenn mehr als drei Wochen zwischen zwei Verhandlungsterminen liegen, gab es am 2. August einen kurzen "Schiebetermin". Verhandelt wurde nur etwa zehn Minuten, um die Fristen einzuhalten. Andreas V. war im Rettungswagen und in medizinischer Begleitung zum Prozess gebracht worden. Bei dem kurzen Termin wurden ebay Kleinanzeigen vorgelesen, in denen Andreas V. nach Spielkameraden für seine Pflegetochter sucht.


Der sechste Prozesstag

Eine Initiative demonstriert für gerechte Strafen für Täter

 

Am sechsten Prozesstag verhandelte das Landgericht Detmold nur den Fall des Steinheimers Mario S. Denn Dauercamper Andreas V. war kurz vorher schwer erkrankt und konnte deshalb nicht an der Verhandlung teilnehmen. Deshalb sagten auch deutlich weniger Zeugen aus, als eigentlich geplant war.

Unter anderem machten zwei junger Männer eine Aussage, die mitterweile erwachsen sind und als Minderjährige offenbar Opfer von Mario S. wurden. Einer der Männer ist nach Angaben eines Opferanwalts geistig behindert. Beide Aussagen waren nicht öffentlich. Außerdem wurde eine Jugendamts-Betreuerin befragt.

Am Richtertisch haben sich die Prozessbeteiligten außerdem kinderpornografische Fotos und Videos angesehen. Auf Nachfragen des Gerichts bestätigte Mario S., dass er die Aufnahmen gemacht hat. Unser Reporter sagt: Das Entsetzen über diese Filme war einer Schöffin deutlich anzusehen.

Mahnwache und Demozug in Detmold

Parallel zum sechsten Prozesstag fand in Detmold den ganzen Tag eine Mahnwache statt. Die Organisatoren sammelten dort Unterschriften gegen eine Verjährungsfrist von Kindesmissbrauch. Außerdem gab es mittags noch einen Demozug zum Landgericht Detmold. Die Initiative „Kinder von Lügde“  protestierte für gerechte Strafen für Täter. Anlass war  das erste Urteil im Fall Lügde. Der Mann der per Webcam beim Missbrauch zugesehen hatte, bekam eine Bewährungsstrafe


Abgetrennter Prozess gegen Heiko V. aus Stade

Das Urteil ist gefallen: Heiko V. bekam am Abend (17.07.) eine zweijährige Haftstrafe die zur Bewährung ausgesetzt wurde. An die Strafe sind Auflagen geknüpft. Der 49jährige muss sich einer Therapie unterziehen und eine Geldstrafe zahlen. Schuldig wurde der Mann wegen Anstfitung und Beihilfe zu sexuellem Missbrauch gesprochen.


Der fünfte Prozesstag

Tag 5 im Lügde-Prozess

 

Am fünften Prozesstag um die Missbrauchsserie von Lügde haben wieder weitere Zeugen ausgesagt. Unter anderem wurde das Pflegekind des Hauptangeklagten Andreas V. unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt. Außerdem hat sich gezeigt, wie tief die Wunden bei den Opfern sind. Zwei Mädchen waren nicht gekommen, weil es ihnen für eine Aussage immer noch zu schlecht geht. Das hatte die Anwältin der beiden vor Gericht geschildert.

Zudem wird immer deutlicher, dass die Opfer Angst vor den beiden Angeklagten haben. Mehrere Anträge liegen dem Gericht vor, damit nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die beiden Angeklagten während der Aussagen den Gerichtssaal verlassen.

Abseits des fünften Verhandlungstages kamen immer neue Details ans Licht. Eine Anzeige von Andreas V. gegen die Mutter eines Opfers sorgte für Gesprächsstoff. Es ging um angebliche Schweigegelderpressung.

Die Frau will sich ihrerseits mit einer Anzeige gegen diese Behauptung wehren. Opferanwalt Roman von Alvensleben wunderte sich, dass Andreas V. so etwas macht, anstatt etwas über mögliche weitere Täter zu erzählen.

Pflegekind sagt aus

Während der Aussage der heute achtjährigen Pflegetochter von Andreas V. mussten Presse und Zuschauer den Saal verlassen. Das Mädchen gilt in dem Prozess als zentrale Zeugin. Nach Angaben ihres Anwalts wird das Mädchen aktuell in einer Einrichtung betreut und wird später auch eine Therapie beginnen. Momentan sei sie aber noch nicht so weit, über die Dinge zu sprechen. Sie war erst fünf Jahre alt, als sie im Frühjahr 2016 in die heruntergekommene Camping-Unterkunft von Andreas V. einzog. Ihr soll besonders schweres Leid angetan worden sein.

 

Der Richtertisch im Lügde-Prozess

 

Mailkontakt zwischen mutmaßlichem Täter und Opfer

Außerdem ging es in der Verhandlung um einen Mailkontakt zwischen Andreas V. und einem Mädchen. Das Gericht hat 12.000 Mails ausgewertet. Und in den Mails zeigt sich, wie der Angeklagte seine Opfer manipuliert hat, so dass sie sich auch von selbst bei ihm gemeldet haben.

Mädchen: "Hallo Addi, hast du mich vergessen?"

Er: "Wie könnte ich dich vergessen? Schade, dass du nicht kannst, du musst ja zur Schule..."

oder

Mädchen: "XY hat bald Geburtstag."

Er: "Bring sie doch mit. HDL."

Mädchen: "Sie darf nicht mit, aber ich kann ja eine andere Freundin mitbringen."

Die Mails sind voll mit Smileys und Abkürzungen wie HDL (Hab dich lieb). In den Mails geht es auch häufig um Handys, Laptops & Co. Dazu fragt das Mädchen bspw. den Angeklagten: "Hey Papa-Bär, sind denn die Handys alle so teuer? Hab dich lieb."

 

Zwei Zuschauer müssen das Gericht verlassen

Am Rande des Prozesses hatten Wächter am fünften Verhandlungstag zwei Zuschauer aus dem Gerichtssaal geholt und zunächst in einen Nebenraum hinter den Sichtschutzwänden gebracht. Die Männer sollen sich in Reichsbürgermanier verhalten haben. Einer der beiden hatte gegenüber der Presse auch angedeutet, Reichsbürger zu sein. Kurze Zeit später begleiteten Polizisten die beiden Männer aus dem Landgericht.

Der vierte Prozesstag

An Tag 4 (5. Juli) im Prozess um den massenhaften Kindesmissbrauch in Lügde standen weitere Zeugenaussagen an. Die vorsitzende Richterin hatte den Verhandlungstag im Vorfeld eingekürzt, weil wieder einige Zeugen abgesagt hatten.

Es sagten drei Opfer (Geschwister) und ihre Mutter aus. Dafür hat das Gericht sowohl die Öffentlichkeit, als auch die Angeklagten rausgeschickt. Die Kammer will damit die Kinder schützen und dafür sorgen, dass sie sich auch trauen, die Wahrheit zu sagen.

Durch diesen Eingang kommen die Prozessbeteiligten ungesehen ins Gericht.

 

Nach einer Dreiviertelstunde war die Befragung der ersten vier Zeugen beendet. Danach sagte eine weitere Mutter aus. Und auch ein Vater wurde befragt. Seine beiden Kinder, die heute sechs und neun Jahre alt sind, sollen auch missbraucht worden sein.

Konkurrenzverhältnis auf dem Campingplatz

Alle Aussagen erfolgten am Freitag (5. Juli) wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wie uns Opferanwalt Roman von Alvensleben sagte, sollen die Kinder abwechselnd von den beiden Hauptangeklagten missbraucht worden sein. Laut den Aussagen hat es auf dem Campingplatz wohl eine Art Konkurrenzverhältnis der beiden Angeklagten im Umgang mit den Kindern gegeben.

 

Warum haben die Eltern nichts gemerkt? – Warum haben Verwandte nichts gemerkt? Der jahrzehntelange Kindesmissbrauch auf einem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen blieb offenbar auch deswegen so lange unentdeckt, weil es unter einigen Tätern und Opfern mehr familiäre und freundschaftliche Nähe gab als bisher öffentlich wurde.

Die Verhältnisse gehen von unmittelbarer Verwandtschaft bis hin zum Patenonkel. Für Opferanwalt Roman von Alvensleben zeigt das auch eine Zeugenaussage vom vierten Prozesstag:


Der dritte Prozesstag

Der dritte Prozesstag ist am Donnerstag, 4. Juli, um 9 Uhr gestartet. Das Gericht setzt die Befragung von Zeugen weiter. Davon waren 20 geladen - Opfer und deren Angehörige. Allerdings sind nicht alle Zeugen gekommen. Einige sagten ihre Teilnahme am Prozess kurz vorher ab. Wie uns eine Gerichtssprecherin sagte, kommen beim Landgericht fast täglich Faxe mit Absagen rein.

Am dritten Prozesstag hörte das Gericht zuerst die Mutter einer heuten Achtjährigen. Das Kind soll ebenfalls Opfer des Missbrauchs geworden sein. Das Kind selbst machte keine Aussage.

Parallel zum Prozess ist am Donnerstag bekannt geworden, dass es einen neuen Tatverdächtigen im Fall Lügde gibt. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen einen 57-jährigen Steinheimer eingeleitet. Ein minderjähriges Opfer soll den Mann bei polizeilichen Befragungen belastet haben. Die Ermittlungskommission "Eichwald" durchsuchte an zwei Tagen die Parzelle des Beschuldigten auf dem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen.

Opferanwältin Anke Reese sagt: Die Kinder haben Angst vor den Angeklagten

 

Im Verlauf des dritten Prozesstages hörte das Gericht weitere Zeugen. Unter anderem sagten am Mittag auch Mutter und Kind aus. Dazu mussten auch die beiden Angeklagten Mario S. und Andreas V. den Saal verlassen. Die Kinder haben Angst vor den Angeklagten.

 


Der zweite Prozesstag

Am Freitag (28. Juni) wurde der Prozess um 12 Uhr fortgesetzt. Schon am zweiten Prozesstag sind deutlich weniger Zuschauer und Medienvertreter anwesend.

Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Anke Grudda startete die Beweisaufnahme. Es sind mehrere Zeugen befragt worden. Darunter auch zwei Opfer des mutmaßlichen Haupttäters. Während der Befragung war die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Der angeklagte Dauercamper Andreas V. bat über seinen Anwalt darum, den Saal während der Aussage zu verlassen. Er wünsche keinen visuellen Kontakt zu den Opfern. Deshalb würde er gerne raus gehen. Die Richterin lehnte das ab. Das hier sei kein Wunschkonzert, so Anke Grudda. Dann solle er sich eben hinter seinem Aktenordner verstecken. 

Aus dem Zuschauerbereich war zu hören: "Das ist aber feige".

Unter den Zeugen war eine junge Erwachsene, die laut Gerichtssprecherin zum Zeitpunkt der Übergriffe jugendlich war. Auch eine Bekannte von ihr wurde angehört. Außerdem befragte die Richterin ein zehnjähriges Kind und dessen Mutter. Die Zehnjährige ist ihrem Anwalt zufolge von Andreas V. im Alter von neun Jahren missbraucht worden.


Auf dem Campingplatz sollen sich die Gräueltaten abgespielt haben

Fall von Heiko V. wird gesondert verhandelt

Das Verfahren gegen Heiko V. aus Stade wurde abgetrennt. Er wird sich dann gesondert vor Gericht verantworten müssen.Die Hauptverhandlung gegen ihn ist für den 17. Juli geplant. Am selben Tag soll es auch ein Urteil geben.

Heiko V. soll Kinderpornos bei dem Dauercamper in Auftrag gegeben haben. Und über Webcam live bei dem Missbrauch zugesehen haben.

Außerdem hat das Gericht am zweiten Verhandlungstag (öffentlich) den E-Mail-Kontakt zwischen Heiko V. und Andreas V. vorgelesen. Reporter Frank Schröder sagt: "Es ist unglaublich widerlich, was da zur Sprache kommt."

Richterin Anke Grudda hat die perversesten Einzelheiten über alle denkbaren Sexualpraktiken und perversesten Bezeichnungen von Geschlechtsorganen von Kindern vorgelesen.

 

 

Das ist nur ein kleiner Auszug aus dem Mail-Verlauf. Unser Reporter sagt: Da wurde über die Kinder gesprochen, als wenn es um Postsendungen geht. Sie wurden bewertet und das alles in einer unglaublichen Beiläufigkeit. Ein Beispiel für diese Beiläufigkeit während des Mail-Gesprächs: "Und, hast du deinen Führerschein bestanden?"


In Saal 165 geht es um die Missbrauchsfälle

Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda


Der Prozessauftakt

Außenansicht Landgericht Detmold kurz vor Prozessbeginn

 

Am Donnerstag (27. Juni) ist um 9 Uhr der Prozess zu den Lügder Missbrauchsfällen vor dem Landgericht Detmold gestartet. Der Prozess ist der größte, der jemals in Saal 165 stattgefunden hat. In dem Raum gibt es nur 73 Plätze. Für die vielen Nebenkläger wurden eigens neue schmalere Tische gekauft, damit alle Opferanwälte sitzen können. Eine Zeugen-Aussage per Video-Übertragung aus einem anderen Raum ist möglich.

Zu Beginn des Prozesses liest die Staatsanwaltschaft die Anklageschift vor. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen. 

Alle 18 Anwälte, die 28 Opfer als Nebenkläger vertreten, hatten das beantragt

Die Begründung des Gerichts ist, dass der Schutz der Opfer schwerer wiegt als das Interesse der Öffentlichkeit.

"Die Taten sind so abscheulich, dass man die beteiligten Kinder schützen muss", so die Vorsitzende Richterin Anke Grudda. "Die Anschuldigungen lassen niemanden unberührt", so Grudda weiter. Es gelte aber die Unschuldsvermutung, das Gericht werde unvoreingenommen und unparteiisch arbeiten. Der Ausschuss gelte erst mal nur für die Anklageverlesung, danach müsse für jeden Prozessabschnitt neu beraten werden.  

In den Anklageschriften stehen intime Details und die vollen Namen und Wohnorte der Kinder.

Der Vater eines Opfers sagt unserem Reporter später vor Saal 165: "Seid froh, dass ihr als Presse bei der Anklageverlesung nicht mit dabei wart." Die Details, die in der Anklage zutage kamen, waren offenbar entsetzlich.


In Saal 165 ist der Missbrauchsprozess gestartet

Dauercamper versteckt Gesicht hinter Aktenordner

Der angeklagte Lügder Andreas V. kam mit Aktenordner vor dem Gesicht und Kapuze über dem Kopf in den Gerichtssaal. Der angeklagte Steinheimer Mario S. verdeckte sein Gesicht nicht.

Der angeklagte Mann aus Stade, Heiko V., hielt sich ebenfalls einen Aktenordner vor das Gesicht. Er ist auf dem Foto nicht zu sehen

Unser Reporter berichtet vom Prozess, dass der Dauercamper Andreas V. verhärmt, bleich und aufgedunsen wirkt. Er soll allerdings auch krank sein. Der mutmaßliche Mittäter Mario S. macht dagegen einen jungen und frischen Eindruck.

Die Angeklagten aus Steinheim (links) und Lügde

Die Anklageverlesung hat eineinhalb Stunden gedauert.

Danach gab es ein Rechtsgespräch, das der Verteidiger des hauptangeklagten Lügders beantragt hat. Dabei ging es um das Strafmaß.Also: welche Auswirkungen hätte ein Geständnis, welche die Entscheidung, nicht auszusagen usw. An dem Rechtsgespräch haben der Verteidiger von Andreas V., die Richterin und die Staatsanwaltschaft teilgenommen.

Alle Beschuldigten gestehen

Erst sah es so aus, als ob sich der Dauercamper nicht zu den Vorwürfen einlassen wird. Dann kam es aber überraschenderweise zu Geständnissen. Der Camper hat fast alle Vorwürfe über seinen Anwalt eingeräumt. Andreas V. selbst sprach nicht. Er beantwortete keine Fragen, machte keine Angaben zur Person und lehnet auch Gespräche mit einem Gutachter ab.

Auch der Mann aus Steinheim hat die Vorwürfe bestätigt und auch selbst gesprochen. Demnach bereue er die Taten, für die er heute keine Erklärung mehr habe. Ihm sei bewusst, wie viel Leid er den Opfern angetan habe. Er sei bereit, eine Therapie zu machen.

Der mitangeklagte Mann aus Stade räumte die Vorwürfe ebenfalls ein.

Um 14:15 Uhr ist der erste Verhandlungstag zu Ende


Ein Gefangenentransporter wird hinter einen Sichtschutz gefahren