Sinah: Ende Mai 2020. Nun leben wir schon wochenlang in einem Ausnahmezustand. Auf eine richtige "Normalität" wie wir sie vor Corona kannten, werden wir vermutlich noch lange warten müssen. Zu den Beschränkungen hat jeder von euch eine eigene Meinung und die darf auch jeder haben. Ich persönlich denke: Ich bin dankbar dafür, dass wir keine vor Erschöpfung weinende Krankenschwestern und Ärzte gesehen haben. Ich verstehe aber auch die vielen Menschen, die jetzt vor dem Ruin stehen und nicht weiter wissen. Ich verstehe euch alle. Es ist eine wahnsinnig verfahrene Situation, eines ist für mich aber auch klar: Ich möchte den Job von Politikern in einer dynamisch-verändernden Ausnahmesituation wie jetzt nicht machen. In einer Situation, in der sich Erkenntnislagen ganz logischerweise immer wieder ändern. Denn sicher ist, dass in Situationen wie jetzt nichts sicher ist. Da kann man es unmöglich allen recht machen. Eigentlich wünsche ich mir: Dass der Umgangston von einem Solidaritäts-"Wir kriegen das gemeinsam hin"-Ton nicht in ein "Wir gegen euch"-Ton umschlägt. Ich wünsche mir, dass wir im Hochstift versuchen, uns in andere hineinzuversetzen. Dass wir Quellen hinterfragen, uns nicht leichtfertig vereinnahmen lassen. Und: Dass wir Menschen ihre Freiheiten lassen. Das heißt auch: Wenn jemand Angst hat und darum bittet, Abstand zu halten, dann ist es völlig egal, ob die Angst berechtigt ist - Angst ist ein Gefühl, das wir respektieren müssen. Ob es darum geht, Abstand zu halten, den Hund anzuleinen oder vom Gas zu gehen. Ich wünsche mir aber auch, dass wir uns bald wieder ganz unbeschwert bewegen können. Für einen winzig kleinen Moment hatte ich diese Freiheit, als ich mit meinem Freund zusammen social distancing-betreibend zelten war und dabei "Auf und davon" von Casper gehört habe.