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Oliver Behrendt
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Anwaltsrobe_Gericht

Einblick in die Welt der Justiz

"True Crime"-Geschichten liegen seit einiger Zeit total im Trend. Irgendeine Faszination scheint von Kriminalfällen auszugehen. Zusammen mit Experten haben RH-Reporter Tobias Fenneker und Sinah Donhauser einen Blick in unsere Justiz im Hochstift gewagt und auch folgende Frage gestellt: Immer wieder hört und liest man von überlasteten Gerichten in Deutschland, von Richtern und Staatsanwälten, die immer mehr Verfahren zu bearbeiten haben, aber nicht mehr Zeit dafür zur Verfügung gestellt bekommen. Ist das auch im Hochstift so?


Wir haben zum Beispiel mit Bernd Emminghaus gesprochen, dem ehemaligen Vorsitzenden Richter am Paderborner Landgericht. Er war an vielen großen und arbeitsintensiven Verfahren beteiligt. Eins der umfangreichsten ist sicherlich das Bosseborn-Verfahren gewesen. Seine Einschätzung: Eine so arge Überlastung wie man das aus anderen Gegenden kennt, gibt es im Hochstift in der Form nicht. Das heißt aber nicht, dass er so etwas in seiner Laufbahn nicht schon einmal mitbekommen hätte. Auch er nahm seine Arbeit gedanklich oft genug mit nach Hause. Er hat uns zum Beispiel erzählt, wie er den Bosseborn-Prozess erlebt hat und vieles mehr.


Justiz im Corona-Stress - wie wird mit der Situation umgegangen?

Wie hat sich die Arbeit in den Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft im Hochstift seit Ausbruch der Corona-Pandemie verändert? Auch dazu haben wir beispielhaft einige heimische Vertreter befragt.
 
Laut des Paderborner Landgerichts wurden zunächst die Sachen erledigt, die keinen Aufschub duldeten. Hierzu gehören beispielsweise Prozesse, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen. Diese Verhandlungen dürfen nicht zu lange unterbrochen werden. Andere Prozesstermine wurden zunächst gestrichen. Dadurch gab es, über einen Zeitraum von etwa sechs Wochen, weniger Vor-Ort-Termine – zu einem späteren Zeitpunkt wird die Arbeitsbelastung aber höher sein, weil alle Termine nachgeholt werden müssen. Insbesondere in der Zeit bis Ende April versuchten die Mitarbeiter viele juristische Streitigkeiten schriftlich zu erörtern. Seit Ende April kehrt das Paderborner Landgericht „schrittweise zu einem Normalbetrieb zurück“.

Die Paderborner Staatsanwaltschaft hat sich, auf Radio Hochstift-Anfrage, die bearbeiteten Fälle bis Ende Mai dieses Jahres angeschaut. Demnach gibt es in keinem Bereich einen signifikanten Einbruch oder ein Ansteigen der Anzahl der Verfahren. Eine Ausnahme bilden die Ermittlungen zu Verdachtsfällen von Corona-Subventionsbetrug, über die Radio Hochstift Ende Mai exklusiv berichtete. Rückstände in der Bearbeitung gebe es auch nicht, weil bislang keine Infektionen innerhalb der Mitarbeiterschaft aufgetreten seien. Für etwa vier Wochen hatte die Corona-Krise den mehr als 100 Beschäftigten der Paderborner Staatsanwaltschaft etwas Luft verschafft. In dieser Zeit wurden ältere und umfangreichere Verfahren bearbeitet, weil die Mitarbeiter weniger Sitzungstage pro Woche hatten. Zu Verzögerungen werde es, laut der Staatsanwaltschaft, kommen, weil sich auch die Ermittlungsbehörden auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen mussten.

Im Paderborner Amtsgericht gab es für die etwa 200 Beschäftigten erstmals eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Starre Dienstzeiten wurden aufgehoben – die Mitarbeiter konnten sich den Tag flexibel gestalten. Zum Teil seien Beschäftigte morgens um sechs Uhr zur Arbeit gekommen, zum Teil auch am Wochenende oder am Feiertag. Der Sitzungsdienst, insbesondere in Straf- und Zivilsachen, wurde zunächst etwas verringert. Hier kann es noch zu leichten Rückständen kommen. Mittlerweile läuft aber auch dieser Betrieb wieder im normalen Modus. Insgesamt konnte die Effizienz in der Corona-Krise sogar gesteigert werden – auch der Personalrat habe die getroffenen Maßnahmen sehr gelobt. Besonders viel Arbeit gab es unter anderem im Grundbuchamt. Hier mussten, zusätzlich zu den Belastungen der Corona-Pandemie, 60.000 Grundbücher an eine andere Stelle geräumt werden. Diese Maßnahme war bereits länger geplant. Hilfreich ist für die Beschäftigten des Paderborner Amtsgerichts auch, dass Anträge von Bürgern deutlich häufiger schriftlich eingereicht werden – in der Zeit vor der Corona-Krise wurden diese Sachen oft mündlich vor Ort erledigt. Leichte Defizite gibt es, laut des Paderborner Amtsgerichtes, durch die fehlenden Dienstbesprechungen und die ausgefallenen Fortbildungen.


Neben Bernd Emminghaus haben wir außerdem mit Ralf Vetter aus Delbrück gesprochen, Oberstaatsanwalt in Detmold - er hat aber auch viele Jahre in Paderborn gearbeitet. Er meint: Wer sich für diesen Job entscheidet, der weiß, dass das kein nine-to-five-Job ist. Überstunden seien aber auch in anderen Berufen keine Seltenheit. Eine Veränderung der Intensität in der Ermittlungsarbeit hat er allerdings durchaus festgestellt. Die Fälle werden komplexer und dabei spielt auch die Cyberkriminalität eine entscheidende Rolle.