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Weihnachtsbaum-Verkauf

Weihnachtsbäume im Hochstift: ein Millionengeschäft

Verpackte Weihnachtsbäume

Bundesweit werden (geschätzt) auch in diesem Jahr 25 bis 30 Millionen Weihnachtsbäume in deutschen Wohnzimmern stehen. Auch im Hochstift werden zehntausende Nordmanntannen in unseren Häusern und Wohnungen geschmückt. Aber wo kommen die Bäume denn eigentlich her? Wir haben für euch recherchiert.

Fest steht: Die Nordmanntannen haben zum Teil eine lange Reise hinter sich. Und: Auch im Hochstift ist der Verkauf von Weihnachtsbäumen ein Millionen-Geschäft. Eine exklusive Radio Hochstift-Berechnung zeigt: Im Jahr 2023 dürfte der Umsatz durch die im Hochstift verkauften Weihnachtsbäume bei mindestens 1,5 Millionen Euro liegen.

Alle Protagonistinnen und Protagonisten, mit denen wir während der Recherche gesprochen haben, können sich zumindest auf einen Nenner einigen: Das Weihnachtsbaum-Geschäft ist knallhart. Die Produzenten und Händler sprechen nur ungerne über Preise, Umsätze und Abnehmer. Auch unabhängige Experten möchten zum Teil nicht namentlich zitiert werden.


"Neben der Aquakultur zählt die Weihnachtsbaumkultur sicher zu den lukrativsten Landnutzungsformen. Der Benefit, nach Abzug aller Kosten, dürfte bei zehn Prozent pro Jahr liegen." (Unabhängiger Experte, Name in der Redaktion bekannt)


Der Produzent

Paderborn-Neuenbeken, Paderborn-Wewer, Salzkotten-Oberntudorf: Auf unzähligen Flächen im Hochstift baut Martin Horstschäfer im großen Stil selbst Weihnachtsbäume an. Damit ist der Chef des Salzkottener Unternehmens Paderbäumchen im Hochstift quasi Exot.

Weihnachtsbaum vom Paderbäumchen


Ganzjährig, also auch im Hochsommer, ist er auf den Anbauflächen unterwegs, um die Bäume fürs Weihnachtsgeschäft fit zu machen. Diese verkauft er zum Großteil über sein Online-Geschäft. Sein großes Thema: Die Nachhaltigkeit. Im Radio Hochstift-Interview hat er uns viel zu seinem Leidenschafts-Thema erzählt:

 


Der Weihnachtsbaum entsteht

In den allermeisten Fällen entsteht der Weihnachtsbaum nicht im Hochstift. Es ist eine lange Reise – bis unser Weihnachtsbaum hier im Hochstift in unserem Wohnzimmer steht.

Los geht die Reise in etwa 3.500 Kilometer Entfernung: Im Spätsommer jedes Jahres klettern mutige Männer und Frauen im Kaukasus (Georgien) in Baumwipfel von 20 bis 50 Meter Höhe. Dort pflücken sie, von Hand, die Zapfen der Nordmanntannen. In einem Kilo dieser Zapfen sind wiederum 10.000 Samenkörner.
 

Grafik zur Entstehung des Weihnachtsbaums


Laut den Weihnachtsbaumerzeugern sind die georgischen Samen unschlagbar, weil sich in den jahrzehntealten Nordmanntannen das beste Pflanzgut finde. So alte Mutterbäume gibt es in Deutschland nicht. Die Samen gehen dann zum Beispiel an Baumschulen in Deutschland oder Dänemark. In den Baumschulen entsteht dann über einen Zeitraum von drei Jahren ein kleines Pflänzchen.


"Die Nordmanntanne zeichnet sich durch einen gleichmäßigen Wuchs und weiche Nadeln in sattem Grün mit besonders langer Festigkeit aus. Der Marktanteil der Nordmanntanne ist auf knapp 80% angestiegen." (Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger)


Dieses Pflänzchen landet dann wiederum meistens auf den riesigen Weihnachtsbaum-Plantagen zum Beispiel im Sauerland oder auch in Dänemark. Bis der Weihnachtsbaum dann die Größe hat, die wir uns wünschen, oft also 1,70m bis 2,20m, dauert es acht bis zwölf Jahre. Dann wird die Nordmanntanne abgeschnitten.


"Der Einkaufspreis dürfte aktuell bei zehn bis 15 Euro liegen. Es kommt natürlich auch auf die Masse und die Qualität an." (Unabhängiger Experte, Name der Redaktion bekannt)


Danach wird die Tanne vom Sauerland oder zum Beispiel auch von Dänemark aus mit LKW zu den Händlern gebracht. Die Händler parken die Bäume erst mal auf eigenen Flächen zwischen, um sie wiederum für die einzelnen Verkaufsstände fertig abzupacken.

Weihnachtsbäume werden abgepackt


Es kann also sein, dass der Weihnachtsbaum, der in Delbrück geparkt wurde, anschließend in Salzkotten verkauft wird. Es kann aber auch sein, dass der Baum, der schon eine lange Reise bis Delbrück hinter sich hat, noch mal auf die Reise geht, weil der Händler ihn wiederum ins europäische Ausland verkauft hat. Dann fährt der LKW wieder los und bringt die Tanne zum Käufer.


"Wenn man das Geld in der Region lässt, fördert man damit auch Arbeitsplätze. Es bringt Kaufkraft. Man tut Gutes. Wenn ich jetzt einfach sage: Ich kaufe dort ein, wo es günstig ist, dann bleibt das Geld beim Händler - aber nicht unbedingt in der Region." (Martin Horstschäfer, Weihnachtsbaum-Produzent aus Salzkotten)  


Der Händler

Georg Arndt
Georg Arndt aus Delbrück-Westenholz

Georg Arndt aus Delbrück-Westenholz ist ein alter Hase im Weihnachtsbaum-Geschäft. Seit 35 Jahren handelt er mit ihnen. Im Sauerland hat er eigene Flächen, auf denen er anbaut. Hier erntet er etwa 15.000 Weihnachtsbäume pro Jahr.
 

Mittlerweile hat er aber etwa 30 Verkaufsstände im Hochstift und der Region. Deshalb kauft er weitere Bäume ein: Zum Beispiel im Osnabrücker Raum, ebenfalls im Sauerland und im Bereich Soest. Für seine Bäume hat er im Verkauf immer einen Einheitspreis: 2023 kostet jeder Baum an seinen Verkaufsständen 25 Euro.
 

Schild Weihnachtsbaum-Verkauf


Außerdem importiert er pro Jahr 13.000-14.000 Bäume aus Dänemark. Diese verkauft er wiederum größtenteils an andere Händler weiter.
 

"Ich fahre jedes Jahr nach Dänemark und zeichne die Bäume auch aus - damit das gute Qualität ist." (Georg Arndt, Weihnachtsbaumhändler aus Delbrück-Westenholz)


Der Ökologe

Marc Messerschmidt arbeitet im Fachbereich Hoheit, Schutzgebiete, Umweltbildung beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Im Radio Hochstift-Interview hat er Stellung zu den Weihnachtsbaumkulturen genommen:

Radio Hochstift: Wie bewerten Sie den Anbau von Weihnachtsbäumen (Nordmanntannen) aus ökologischen Gesichtspunkten?

Marc Messerschmidt: "Der Anbau hat seine Berechtigung aber der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sollte reduziert und reglementiert werden. Man kann auch Weihnachtsbäume naturnah produzieren und der Ökologie Platz einräumen, es gibt Beispiele, wo Bienenstöcke in Weihnachtsbaumkulturen stehen."

Marc Messerschmidt
Marc Messerschmidt

 

RH: Welche Folgen hat der Klimawandel für den Anbau und die Pflege der Nordmanntannen?

MM: "Nordmanntannen bereichern auch im Klimawandel die Palette der Waldbaumarten, daher ist sie mir sehr willkommen. Ich denke sie hat ihre gute Nische in der sie Platz findet. Die Fichte hinterlässt ja eine große Lücke. Klassisch kommen natürlich mit höheren Temperaturen andere Insekten und Begleitwuchs. Aber mit Bedacht und Umsicht wird sich die Bewirtschaftung einpassen."

 

RH: Wo werden die Weihnachtsbäume in der Zukunft wachsen? Weiter bspw. im Sauerland?

MM: "Ganz sicher bleibt das Sauerland aufgrund der Gegebenheiten ein Schwerpunkt des Anbaus und hat natürlich auch wirtschaftliche Aspekte. Allein aufgrund der langjährigen Erfahrung und bestehenden Kapazitäten wird hier auch weiterhin ein Dreh- und Angelpunkt sein. Ich persönlich hoffe nur, dass wir insgesamt ökologischer werden."


"Forstexperten haben ermittelt, dass auf einem Hektar einer Weihnachtsbaumkultur bis zu 145 Tonnen Kohlendioxid gebunden werden." (Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger)

"Für jeden Baum, der abgeschnitten wird, wird auch ein neuer gepflanzt. Nach zehn, zwölf Jahren werden die Bäume abgeschnitten - in dieser Zeit waren sie gut für die Umwelt." (Georg Arndt, Weihnachtsbaumhändler aus Delbrück-Westenholz)


Die Klassifikationen

Erste, zweite, dritte Wahl

Erste, zweite, dritte Wahl

Fast alle Händlerinnen und Händler im Hochstift unterscheiden zwischen erster, zweiter und dritter Wahl bzw. zwischen A-, B- und C-Ware. Aber was heißt das?

A-Ware

A-Ware

Die erste Wahl bzw. die A-Ware ist bei den Händlern die beste Ware. Der Baum hat also bspw. einen geraden Stamm in der Mitte des Baumes. Die Kränze der Zweige müssen gleichmäßig über den Baum verteilt sein - auch in Bezug auf die Dichte. Die Breite des Baumes darf nicht größer als die Höhe sein. Außerdem muss die Tanne frisch und gesund aussehen und eine gleichmäßige Farbe haben. 

B-Ware

B-Ware

Bei der B-Ware hat der Baum meist ein bis zwei 'Schäden'. Heißt konkret: Der Baum ist zum Beispiel etwas weniger dicht bewachsen, es gibt eine Farbabweichung oder der Stamm des Baumes ist nicht genau in der Mitte gewachsen.

C-Ware

C-Ware

Unter C-Ware werden Bäume einsortiert, die bspw. eine noch stärkere Verfärbung haben oder schlicht unsymmetrisch sind.

Mischkalkulation

Mischkalkulation

Die Händlerinnen und Händler kaufen bei den Erzeugern meist Mischware und können so auch eine Mischkalkulation aushandeln. Sie kaufen also A-, B- und C-Ware und erhalten dafür einen günstigeren Preis.

"Einige Händler tricksen gerne: Sie kaufen viel C-Ware zu einem günstigen Preis. Damit lassen sie den eigenen Verkaufsstand voll aussehen. Nach der A-Ware muss man dann schon gut suchen." (Unabhängiger Experte, Name in der Redaktion bekannt)


Der Weihnachtsbaum fliegt raus

Die allermeisten Weihnachtsbaumkäuferinnen und -käufer werfen den Weihnachtsbaum im Januar eines Jahres aus dem Haus. In einigen Kommunen im Hochstift sammeln Organisationen wie die Landjugend die Bäume ein.

In Delbrück gibt es beispielsweise auch 2024 wieder die Tannenbaumraus-Aktion: Die Weihnachtsbäume können am 06.01.2024 am Alten Markt abgegeben werden. Bauhof-Mitarbeiter verladen diese dann auf LKW. Am Bauhof werden sie geschreddert. Anschließend wird das Häckselgut zur Abdeckung von Pflanzbeeten im Delbrücker Stadtgebiet genutzt.

In Paderborn bietet der städtische Abfallentsorgungsbetrieb ASP Sonderabholungen von Weihnachtsbäumen an. Die Bürgerinnen und Bürger müssen ihren Baum also einfach an die Stelle werfen, an der sonst ihre Mülltonne bei der Abfuhr steht.

Übersicht zur Sonderabholungen von Weihnachtsbäumen


Die Zahlen sind beachtlich: Pro Jahr holt allein der ASP 20.000 Weihnachtsbäume, also 120 Tonnen ab. Hierfür sind an zehn Tagen Mitte Januar täglich zwei bis drei Müllwagen mit jeweils zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterwegs.

Die gesammelten Weihnachtsbäume werden dann zum Entsorgungszentrum Alte Schanze in Paderborn-Elsen gebracht. Dort werden die Weihnachtsbäume dem Grünschnittkompost untergemischt - hieraus entsteht der Paderkompost.


Das total unnütze Weihnachtsbaum-Wissen

Wir wollten euch mit dieser Recherche nicht den Weihnachtsbaum-Kauf vermiesen. Deshalb gibt's hier für euch noch Weihnachtsbaum-Wissen. Damit könnt ihr immerhin bei Freunden, Bekannten und in der eigenen Familie prahlen.

  • immergrüne Pflanzen (und damit auch Weihnachtsbäume bzw. Tannen) waren angeblich schon vor Jahrhunderten in heidnischen Kulturen ein Symbol für Fruchtbarkeit und Lebenskraft
  • die katholische Kirche wehrte sich lange gegen das "unreligiöse Brauchtum" - erst seit 1982 steht beispielsweise ein Weihnachtsbaum im Vatikan
  • seit Jahren gibt es unterschiedliche Auslegungen, wo der größte Weihnachtsbaum der Welt steht: Unter anderem die Stadt Dortmund behauptet, dass bereits seit 1996 jährlich der weltweit größte Weihnachtsbaum in der Ruhr-Metropole steht - in diesem Jahr entsteht aus 1.000 Fichten ein 46 Meter hoher Baum
  • nach einer Studie der Universität Bergen (Norwegen) finden sich in einem Weihnachtsbaum (aus dem Wald) bis zu 25.000 "Motten, Spinnen, Milben und anderes Getier"

So klang die Berichterstattung zu diesem Thema on Air:
 


Fragen und Feedback

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