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Laura Potting
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K.O.-Tropfen: Sicher feiern im Hochstift

K.O.-Tropfen: Sicher feiern im Hochstift

Schnaps-Flasche

K.-O.-Tropfen: Was ist das überhaupt?

Es gibt nicht die eine Droge, die sich hinter K.O.-Tropfen verbirgt. Oft verstecken sich hinter dem Begriff die Partydrogen GHB und GBL. Die kennt ihr vielleicht auch unter Namen wie Liquid Ecstasy, Liquid X/E oder Gamma. Es können aber noch andere Gemische sein. Was sie alle gemeinsam haben: In Getränken schmeckt man sie nicht. Oft haben die Tropfen zwar einen leicht seifigen oder salzigen Eigengeschmack, aber in einem Getränk oder mit ein bisschen Zitrone ist der so gut wie weg. Ganz wichtig: In den meisten Fällen werden sie in Getränke getropft, theoretisch kann man die Drogen aber tatsächlich auch über Nahrungsmittel an seine Opfer geben.

Auch wichtig: Häufig sind Frauen Betroffene, deshalb sprechen wir auch in unseren Beiträgen häufig über Frauen. Grundsätzlich sind aber selbstverständlich auch Männer potenzielle Opfer von K.O.-Tropfen.

Wenn es zu spät ist: Symptome

K.O.-Tropfen haben sehr ähnliche Symptome wie Alkohol, dementsprechend ist es schwer zu differenzieren, was jetzt der Auslöser ist. Schwindel, Übelkeit, Wahrnehmungsschwierigkeiten, Willenslosigkeit, eingeschränkte Beweglichkeit und am Ende eben auch Blackouts oder zumindest Erinnerungslücken sind die Folgen der genutzten Drogen.

Unberechenbare Droge

Es gibt Täterinnen und Täter, die darauf aus sind, dass ihre Opfer hemmungsloser werden. K.O.-Tropfen sollen in geringer Dosis stimulierend und enthemmend wirken - je höher die Dosis, desto höher aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie betäubend und einschläfernd wirken. Eine Überdosis kann zum Tod führen.

 

Das sagen Betroffene aus dem Hochstift

In den letzten Wochen und Monaten haben sich uns viele Betroffene anvertraut. Das waren für beide Seiten keine einfachen Gespräche. Wir sind froh darüber, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben und wir an dieser Stelle darüber sprechen dürfen - auch um andere potenzielle Betroffene zu schützen.

"Ich bin dann auf die Toilette gerannt und habe mich eingeschlossen (...). Ab da weiß ich gar nichts mehr. (...) Ich hab keine Zeitvorstellung."

Eine der betroffenen jungen Frauen aus dem Kreis Paderborn erzählt, dass sie den ganzen Abend keinen Alkohol getrunken hat. Deshalb kann sie klipp und klar ausschließen, dass ihre Symptome von zu viel Alkohol kommen. Sie beschreibt, wie sie im Club ein Getränk ausgegeben gekriegt hat - auf ihren Wunsch hin wieder ohne Alkohol. Kurze Zeit nachdem sie ihre Cola getrunken hat, hat sie ein komisches Gefühl: Irgendwas stimmt nicht. Sie rennt zur Toilette, schließt sich ein - und viel mehr ist von dem Abend nicht mehr übrig. Wie es weiterging, weiß sie nur noch aus Erzählungen. Sie soll aus dem Club getragen worden sein, wurde auf die andere Straßenseite gebracht. Dort habe sie ein Bekannter gefunden, wodurch ihre Mutter kontaktiert wurde.

"Meine Mutter hat die ganze Nacht an meinem Bett gesessen und hatte Angst, dass ich ...naja...dass was Schlimmeres passiert."

Auch der Tag danach war schlimm: Die junge Frau hat fast nur geschlafen, es ging ihr schlecht. Ein halbes Jahr lang ist sie gar nicht mehr nachts rausgegangen, danach nur noch mit Armbändern, die K.O.-Tropfen erkennen sollen. Sie trinkt nur noch aus Flaschen. Sie hat keine Anzeige erstattet.

Eine andere junge Frau aus dem Kreis Paderborn hat einen Abend sehr ähnlich erlebt. Sie hat nur ein Glas Wein getrunken.

"Ich weiß nicht, was in diesen Stunden passiert ist. Ich kenne meine Grenzen."

Auch sie erzählt, dass sie nach draußen gebracht wurde und dann nach Hause gebracht wurde. Was genau alles passiert ist, daran erinnert sie sich nicht mehr. Sie ist am nächsten Tag aufgewacht und es ging ihr unglaublich schlecht. Sie sagt, dass sie zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass das nicht nur der Alkohol gewesen sein kann. Diese junge Frau hat ebenfalls davon abgesehen, eine Anzeige zu erstatten.

 

Anmerkung der Redaktion

Keine der Frauen, mit denen wir gesprochen haben, hat sich offiziell auf K.O.-Tropfen testen lassen. Die extrem ausführlichen Erzählungen und auch ihre Begründungen, weshalb sie sich nicht zur Polizei begeben haben, erscheinen uns aber als glaubwürdig. Als verfremdeter O-Ton sind nur zwei junge Frauen zu hören. Einige andere Betroffene haben sich nicht zu diesem Schritt entschlossen und uns nur off air ihre Geschichte erzählt. Das ist genauso mutig. Wir bedanken uns für das Vertrauen und wir wissen zu schätzen, dass es Betroffene gibt, die sich auch am Mikrofon äußern. Uns ist klar, dass auch Männer Opfer von K.O.-Tropfen werden können. Während unserer Recherche haben sich aber nur junge Frauen gemeldet. Wenn ihr ähnliche Dinge erlebt habt, dann wendet euch an die Polizei, nehmt Hilfsangebote wahr. Wenn ihr auch über eure Geschichte sprechen möchtet, meldet euch gerne bei unserer Redakteurin Julia Kleinekemper.

 

Polizeiauto
Symbolbild Polizei

Das sagt die Polizei im Hochstift

Da alles rund um das Thema K.O.-Tropfen unter den Begriff Körperverletzung fällt, sei es auch nicht ohne Weiteres möglich, eine konkrete Auflistung aller Fälle vorzulegen, die in den vergangenen Jahren offiziell gemeldet wurden. Bei der Paderborner Polizei liegt aktuell nur eine Anzeige im Zusammenhang mit K.O.-Tropfen vor. Die Polizei im Kreis Höxter spricht von "immer mal wieder vereinzelt auftauchenden" Fällen, es seien aber nicht viele. In der Schützenfestsaison würden manchmal einzelne Fälle auftauchen. Im Februar dieses Jahres gab es außerdem eine offizielle Pressemitteilung der Höxteraner Polizei. Zur Karnevalssaison wurde auf vermehrte Kontrollen hingewiesen, außerdem hat die Behörde in dieser Meldung nochmal zusammengefasst wie K.O.-Tropfen sich äußern und was im Falle eines Falles zu tun ist.

Das sagen Clubs im Hochstift

Stichprobenartig haben wir auch Clubs und Bars im Hochstift nach der Situation gefragt. Da alle Betroffenen, mit denen wir gesprochen haben, in Paderborner Locations vermeintlich Opfer von K.O.-Tropfen geworden sind, lag unser Schwerpunkt auch auf dort ansässigen Clubs.

Residenz und Capitol sagen klar, dass sie das Thema auf der Agenda haben und ständig darüber nachdenken, wie sie ihre Gäste schützen können, zum Beispiel durch verschiedene Möglichkeiten, Gläser mit einer Abdeckung zu versehen. Es werden vermehrt Taschen kontrolliert, die Türsteher schauen auch bei Gästen, die die Clubs verlassen, genauer hin. Ist ein Teil eines vermeintlichen Paares nicht mehr in der Lage normal zu handeln, ist das Personal angehalten genauer hinzuschauen, ob die Situation in Ordnung ist. Im Container hängen Kameras, die etwaige Straftaten aufzeichnen sollen. Außerdem könnt ihr euch zum Bus oder Taxi begleiten lassen, wenn ihr euch nicht wohl fühlt. Außerdem werden in Clubs und Bars die Toiletten im Blick behalten, unter den Türen kann man im Zweifelsfall hergucken, um zu helfen, wenn jemand beispielsweise zusammengebrochen ist.

Aber auch für die Clubs ist klar: Viel mehr als Aufmerksamkeit und erhöhte Alarmbereitschaft ist nicht drin. K.O.-Tropfen in einen Club und dann in ein Glas zu kriegen - das geht zu einfach.

Hilfe im Nachtleben: Luisa ist hier!

Mit der Frage "Ist Luisa da?" könnt ihr schnell und diskret Hilfe in Clubs oder Bars bekommen. In Paderborn nehmen daran zum Beispiel die Residenz, das Capitol, die Akka, die Tuba und noch mehr Locations teil. Wenn ihr an der Theke nach Luisa fragt, informiert ihr das Personal damit darüber, dass ihr in einer Situation seid, in der ihr Hilfe braucht. Das können K.O.-Tropfen sein, das können auch andere Drogen sein - oder eine Situation, in der ihr euch unwohl oder bedrängt fühlt.

Hilfe im Nachtleben: Anonyme Spurensicherung

Natürlich gilt an erster Stelle: Ihr könnt immer die Polizei rufen, auch über die 110, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr Opfer von K.O.-Tropfen geworden seid. Wenn ihr aber noch Bedenkzeit braucht, ob ihr eine Strafanzeige erstatten möchtet oder nicht, dann könnt ihr euch zum Beispiel an die St. Louise-Klinik in Paderborn oder die KHWE in Höxter wenden. Eure Spuren werden dort mit einer Chiffre-Nummer versehen und für zehn Jahre in Münster aufbewahrt. Ihr könnt dann im Fall der Fälle wieder darauf zurückgreifen.

Prävention: Armband und Co

Um sich vor K.O.-Tropfen zu schützen, kann man zum Beispiel Armbänder tragen, auf die man einen Tropfen seines Getränks träufeln kann. Das Problem dabei: Dadurch, dass K.O.-Tropfen keine bestimmte Droge sind, sondern verschiedene Inhaltsstoffe haben, kann es sein, dass einzelne Drogen nicht erkannt werden.

Ihr könnt euch auch ganz einfach zum Beispiel online eine Abdeckung für euer Glas bestellen.


So haben wir bei uns im Programm darüber berichtet


Wichtige Links zur Information

Hier findet ihr wichtige Infos und weitere Verhaltenstipps:

Bei der Initiative K.O.-Tropfen, nein Danke!

Bei der Initiative Luisa ist hier!

Beim Weißen Ring e.V.

Bei der Frauenberatungsstelle Lilith in Paderborn oder der Frauenberatungsstelle der AWO für den Kreis Höxter

Anmerkungen, Feedback und Fragen zum Thema nimmt Redakteurin Julia Kleinekemper entgegen.

 

Am Ende ist es nie eine Betroffene, die Schuld daran trägt, dass sie Opfer von K.O.-Tropfen geworden ist. Auch wenn wir hier davon sprechen, dass ihr auf eure Getränke aufpassen sollt und Maßnahmen zur Prävention getroffen werden sollten. Ihr seid nicht das Problem und ihr seid nicht allein. Passt aufeinander auf.