Freikirchliche Gemeinden im Hochstift

Ein Leben für Gott. Oder besser: Ein Leben für die Gemeinde – für eine freikirchliche Gemeinde. Kinderrunden, Teenagertreffen, Mädchenhauskreise, Gottesdienste, Freundschaften, künftige Partner – für alle Lebenssituationen bietet die Gemeinde Angebote. Aber was passiert, wenn man gar nicht mehr Teil der Gemeinde sein möchte? Wenn man ausbrechen möchte? Zwei Aussteigerinnen aus freikirchlichen Gemeinden in Paderborn haben uns exklusive Einblicke gegeben. Die Darstellungen sind persönliche Erfahrungen. Eine Pauschalisierung freikirchlicher Gemeinden ist selbstverständlich nicht beabsichtigt.

Viola lebte 20 Jahre lang in, für und mit einer freikirchlichen Gemeinde – dann änderte sich alles:

„Das, was ich möchte, zählt nicht. Ich muss hier funktionieren. Wenn ich nicht das mache, was die anderen mir sagen, werde ich verstoßen.“

Eine weitere Aussteigerin einer freikirchlichen Gemeinde aus Paderborn hat uns intensive, emotionale Einblicke in ihr Leben gegeben. Um ihre Anonymität zu schützen, haben wir ihre Erzählungen nachgesprochen:

„Ich habe viele Freunde, die haben sehr jung geheiratet. Die Hormone spielen verrückt, man ist neugierig und will auch mal Sex haben. Und weil das vor der Ehe nicht erlaubt ist, heiratet man früh.“

„Ich finde das Wertekonzept schwierig. Es ist eine Angstpädagogik. Das Kind darf nicht links und rechts gucken – das finde ich sehr schade.“

„Zu merken, ich muss mir eine andere Realität aufbauen – das war ganz schlimm. Dieses Ausbrechen, dieser Konflikt – das war sehr sehr sehr schlimm.“

Unter dem Namen ‚fundamental frei‘ hat sich das Netzwerk Freikirchenausstieg gegründet. Dieses bezeichnet sich selbst als ‚Deutschsprachiges Netzwerk für Menschen mit evangelikal geprägter Vergangenheit. Alle Infos und Kontaktmöglichkeiten findet ihr auf https://fundamental-frei.org/ und auf der Instagram-Seite des Netzwerks freikirchen.ausstieg

Selbstverständlich wissen wir, dass es zwischen freikirchlichen Gemeinden auch im Hochstift Unterschiede gibt. Nicht nur deshalb hätten wir gerne auch ein Interview mit den Gemeinden geführt. Dafür standen diese allerdings leider nicht zur Verfügung.

Mittlerweile haben uns unzählige Rückmeldungen von euch zu diesem Thema erreicht - und zwar über alle Kanäle: Ihr habt euch per Mail, über WhatsApp, Facebook, Instagram, Youtube oder telefonisch bei uns gemeldet. Dafür herzlichen Dank! Ausgewählte Nachrichten veröffentlichen wir hier in gekürzter Form:


Yarrid:

"Danke, dass ihr für uns Aussteiger sprecht und anderen Leuten zeigt, wie es sein kann in so einer Gesellschaft aufzuwachsen!"

Thomas:

"Mich persönlich betrübt es zutiefst, wenn ich über diese Art von Zwängen lese. [...] Wenn sich Mitglieder lösen und die Leere und Kälte dieser Welt spüren, sollte die Schuld nicht immer sofort in den Versammlungen gesucht werden."

Sandra:

"Mit großem Interesse habe ich Ihren Bericht auf der Internetseite gelesen. Mein Bruder und meine Schwester gehören ebenfalls einer Gemeinde an. Mich wollte man vor Jahren auch in diese Gemeinde ziehen. Ich habe mich entzogen."

Clemens:

"Ich habe in der Gemeinde die besten Freunde gefunden, die ich je hatte. Und trotzdem hat mir dort auch nicht alles gefallen. Ist das im "wahren" Leben anders?"

Björn (direkt an die Aussteigerinnen gerichtet):

"Respekt für deinen Mut! Danke, dass du da so offen drüber sprichst."

Alexander:

"Dass Menschen einen Glauben mit anderen Menschen teilen - das ist gerade in unserer Zeit etwas Wunderbares. Gerade wie der Glaube in den Freikirchen gelebt wird, ist bewundernswert."

Manuela:

"Ich habe auch einen Kampf zur Befreiung aus einer Kirche hinter mir. Ich habe Angst zu reden."

Daniel:

"Teil dieser Gemeinschaft ist man erst, wenn man sich bewusst dafür entscheidet und nicht, weil man als Kind dorthin mitgenommen wurde. Ich habe mich bewusst dafür entschieden. Es ist nicht wahr, dass man nichts darf und dass man verstoßen wird, wenn man nicht mitmacht! Das ist nicht die Philosophie der Gemeinde, das ist das Fehlverhalten einzelner Gemeindemitglieder, die mit einer solchen Situation nicht richtig umgehen."

Bernd:

"Mit großem Interesse und riesiger Dankbarkeit habe ich Ihren tollen Bericht über Freikirchliche Gemeinden mit den beiden Aussteigerinnen verfolgt. Vielen, vielen Dank dafür. Sie haben sich eines so wichtigen Themas angenommen - eines Themas, das in der Öffentlichkeit entweder nicht bekannt ist oder völlig unterschätzt wird.

John:

"Die Gemeinde kann niemanden bekehren. Jesus allein bekehrt die Menschen, so steht es auch in der Bibel. Das anders aufzufassen, wäre gelogen. In den letzten sieben Jahren habe ich kaum Aussteiger erlebt, aber mindestens 100 Menschen, die dazugekommen sind."

Ihr wollt uns eure Geschichte erzählen? Gerne!

Bitte per Mail an Tobias Fenneker ( tobias.fenneker(at)radiohochstift.de )

oder Holger Winkelmann ( holger.winkelmann(at)radiohochstift.de ).