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Lea Wirz
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Wie groß sind die Gefahren?

Diese Woche sprechen wir bei Radio Hochstift darüber, was soziale Medien eigentlich für eine Rolle in unserem Leben spielen. Wenn wir bedenken, wie viel diese Netzwerke über uns wissen, ist das nämlich eigentlich mindestens eine prominente Nebenrolle. Manipulation, Algorithmus, Datenkrake schrecken viele Nutzer ab. Aber: "Dass es (immer noch) so viele Leute nutzen, zeigt erstmal wie toll das ist. Und genau deshalb fallen uns diese Sachen auf, weil es gerne weiterhin nutzen wollen. Es ist nicht so, dass wir sagen: Das ist aber doof oder schlecht - dann lassen wir es halt." 

Diese Konsequenz ziehen dann doch sehr wenige Leute, sagt Tobias Matzner, er ist Professor an der Uni Paderborn und beschäftigt sich genau mit unseren Themen: Medien, Algorithmen und Gesellschaft. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie er dieses Thema einschätzt.


Algorithmus - Fluch und Segen zugleich

Fakt ist: Social Media hat einen großen Teil unseres Lebens eingenommen. Klar, praktisch – einerseits. Beim Stichwort Algorithmus aber auch irgendwie gruselig. Andererseits: Ohne geht es halt auch irgendwie nicht, meint Prof. Dr. Tobias Matzner von der Uni Paderborn (siehe Bild). Er erklärt: Das Medium Internet ist so groß wie sein Inhalt, es präsentiert uns keine Auswahl, es ist so groß, dass es schlicht überfordert. Früher gab es, so Matzner, professionelle Filter, ausgebildete Redaktionen, die praktisch Einzelfallanalysen gemacht haben und ausgewogen entschieden haben, was wichtig ist. Jetzt ist das anders.

"Das Problem ist jetzt, dass mit dem, was dieser Algorithmus auswählt, ganz bestimmte Entscheidungen verknüpft sind. Was kriegt Reichweite, was kriegt keine Reichweite. Und nachdem ein Algorithmus andere Maßstäbe setzt als Menschen, passiert es immer wieder, dass Dinge die eine Redaktion niemals mit Reichweite ausgestattet hätte, zum Beispiel stumpfe Verschwörungstheorien, unglaubliche Reichweiten bekommen."

Und dann gibt es zusätzlich zum Thema Algorithmus ja auch noch das Thema Datenkrake. Packt man beides zusammen, dann besteht die Gefahr, dass Daten über mich zu einem fragwürdigen Zweck gesammelt werden, wie: Was muss ich der Leserin oder dem Leser ausspucken, damit sie oder er diese oder jene Partei wählt. Manipulation und Cambridge Analytica sind da so prominente Stichworte. Matzner meint: Jeder von uns ist im Umgang mit Social Media gefragt, Vernunft einzuschalten. Aber:

"Es gibt gewisse Dinge, da sollte ich als Nutzerin oder Nutzer nicht verantwortlich sein. Mein Auto hat auch TÜV. Ich bin verantwortlich dafür, dass ich nicht betrunken ins Auto steige und mich an die Verkehrsregeln halte, ja. Aber ich bin nicht verantwortlich dafür, dass der Motor funktioniert."

Natürlich sei eine staatliche Kontrolle da schwierig. Aber so etwas wie die lästige DSGVO dient genau dazu, uns und unsere Daten am Ende des Tages zu schützen, vor Missbrauch und auch vor Beeinflussung. Und wer so ein Netzwerk betreibt, sollte das vielleicht mal in regelmäßigen Abständen auf die Hebebühne hieven, um zu gucken, ob es sicher ist für die Nutzer. 

Wir geben Daten kostenlos frei - was bekommen wir dafür?

Beim Thema „Unser Leben mit Social Media" gibt es offensichtlich positive wie negative Aspekte. Selbst am Thema Datenkrake und Algorithmus gibt es gute Seiten, zum Beispiel: Mir werden Dinge angezeigt, die ich unter Umständen interessant finde. Tobias Matzner von der Uni Paderborn sagt aber: Es ist nicht alles Gold, was glänzt und das funktioniert auch nicht immer perfekt. Die Daten wissen also mitnichten mehr über uns selbst als wir. Aber das Ganze bietet Potenzial. Allerdings auch Potenzial, mit den eigenen Daten Schmu zu betreiben. Man gibt kostenlos etwas von sich Preis. Matzner sieht da auch ein Problem.

"Jede Firma, die Datendienste anbietet, gewinnt damit auch die Möglichkeit, weiteres Wissen über die Nutzerinnen und Nutzer zu generieren. Und die Frage ist, was machen diese Firmen mit dem Wissen und was sollten sie machen. Dürfen die das verkaufen und wenn ja, wer kriegt das Geld dann? Es gibt zum Beispiel Debatten, in denen wird gesagt: Wenn die so viel Geld machen mit Wissen über mich, sollte ich dann nicht auch daran beteiligt sein?"

Die Firmen sagen halt: Naja, seid ihr doch! Wir bieten euch ja für umsonst den Dienst an, für euch interessante Artikel anzuzeigen. Es gibt aber Leute, die sagen: Das reicht nicht. Buch-Preisträger Jaron Lanier ist so ein Exemplar. Er hat das Buch: „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“ geschrieben. Fakt ist: Bei allem, was ich online mache, fallen Daten an und damit könnten Firmen einiges machen.

"Die könnten diese Daten zum Beispiel an meine Versicherung verkaufen. Die Versicherung sagt dann: Wir haben erfahren, dass Sie Sportkletterer sind oder Sie gehen gerne paragliden oder irgendein anderes Risiko ein. Das haben Sie uns gar nicht erzählt, aber wir wissen das, weil Sie da in dieser Social Media-Gruppe sind. Und dann wird meine Versicherung immer teurer."

So schlimm ist es noch nicht, aber es geht in die Richtung, so Matzner. Das sei alles am Horizont und deshalb sollten wir jetzt überlegen, wie wir damit umgehen wollen. Sonst wird Wissen über uns, das eigentlich zurecht gut geschützt ist, von allen möglichen Institutionen für sich benutzt.

"Das ist eigentlich nicht die Idee von einer Demokratie. In einer Demokratie sollten wir als Bevökerung die Kontrolle haben und uns nicht darauf verlassen müssen, dass die sich schon benehmen. Sondern da sollte es Regeln geben, die sicherstellen, dass die sich benehmen. Also selbst wenn die nichts Böses machen, sehe ich das schon als ein Problem - denn das ist dann nur Zufall!"

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist an der Stelle aber scheinbar besser.


Servicestellen und weitere Informationen:

Hier haben wir für euch einige nützliche Informationsstellen herausgesucht zum Thema "Datenschutz":

Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

klicksafe.de

saferinternet.de