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Sven Sandbothe
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Fake-Accounts & Co.

In der Recherche für diese Themenwoche sind wir auf einen Artikel von netzpolitik.org gestoßen, in dem Folgendes erklärt wird: Um das Thema Desinformation in Social Media zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, was es für Arten von Accounts gibt, die dafür sorgen können. Wichtig ist vor allem, all diese Begriffe nicht durcheinander zu werfen, weil sie unterschiedliche Ziele haben und man unterschiedlich gegen sie vorgehen muss. Um das alles zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass menschliche Fake-Accounts, maschinelle Fake-Accounts, Bots, Trolle und so weiter unterschiedliche Dinge sind. Wir haben uns darüber mit dem Autor des Artikels, Markus Reuter, unterhalten.


Viele Accounts, von wenigen Menschen gesteuert, lenken Diskussionen

Wer auf Facebook nur meckert, mit irgendeiner Grafik im Profilbild unterwegs ist, ständig seinen Accountnamen wechselt und auf der „Schule des Lebens“ war – der erweckt vielleicht den Anschein, fake zu sein. Das heißt aber noch gar nichts, so Markus Reuter.

"Also das eine wäre Hassrede oder Hate Speech, wo Leute versuchen, Hass aufzustacheln, persönlich, und das auf einer indivuellen Ebene funktioniert. Dann muss man trennen: Phänomene, wo staatliche oder nicht-staatliche Akteure versuchen, Desinformation zu verbreiten und das kann dann auch wieder mit Menschen sein oder eben nicht."

Sehr schwierig für uns also, dahinter zu blicken. Was es laut ihm auch noch geben kann, von ihm aber nie selbst beobachtet wurde, sind Social Bots: Computerprogramme, die Desinformation verbreiten. Fakt ist: Da ist in Social Media eine ganze Menge am Werk, was irgendwie nicht echt ist, zumindest nicht so echt wie sich die meisten eine Echtheit vorstellen. Und oft genug beeinflussen diese unechten "Dinge" Diskussionen. Das kann selbst bei Accounts der Fall sein, die richtig groß sind, mit vielen Followern. Dahinter steckt aber keine echte Person.

"Es gibt viele unterschiedliche Methoden. Ich kann auch mit vielen kleinen Accounts, die alle gar nicht so viele Follower haben, den Eindruck erwecken als würde sich eine Debatte in eine bestimmte Richtung bewegen, obwohl nur drei Personen 100 Accounts steuern."

Deshalb muss man aber jetzt keine Angst davor haben. Desinformation hat es laut Reuter irgendwie immer schon gegeben. Zeigt sich auch beim Stichwort Raucher-Kampagnen der Tabakindustrie. Wir müssen schauen, wie wir damit umgehen. 

Bewusste, kalkulierte Desinformation der Nutzer

Die Frage für uns ist eben: Woran erkenne ich eigentlich, mit was für einem Accounts ich es zu tun habe? Tatsächlich ist das für uns als Privatpersonen schwierig, wirklich herauszufinden. Reuter erklärt im Radio Hochstift-Gespräch auch, dass es auch einfach Menschen gibt, die so viele Dinge am Tag veröffentlichen, dass man sie beispielsweise für Bots hält. Das sind aber einfach Leute, die zu viel Zeit haben und so viel Hass in sich tragen, dass sie den Eindruck erwecken, sie seien ein Bot. Man muss diese Phänomene aber einzeln betrachten, um politische Lösungen dazu zu finden. Nur welche? Das ist die Frage.

Reuter selbst hat mal eine Recherche zu einem Account gemacht, bei dem sich hinterher herausstellte: Der Betreiber wurde dafür bezahlt, um Stimmung für eine Partei zu machen. Immerhin: Wenn die Agenda nicht mehr passt, werden daraus keine Karteileichen, die Accounts werden einfach umbenannt. Haben wir auch festgestellt, in Liebe im Netzwerk

 

"Das ist schon ein Prinzip, dass man diese Accounts umbenennt. Was man damit bezweckt ist, eine Echtheit zu erzeugen."

Für private Nutzer kaum noch zu durchblicken. Es hilft aber, überhaupt zu wissen, dass es das gibt: Bewusste, kalkulierte Desinformation. Und damit meint Reuter nicht mal beispielsweise einen Typen, der einfach ein Pseudonym benutzt:

"Der (eine) hat vielleicht keine Lust, seinen echten Namen zu sagen. Das ist ok. Aber bei anderen geht es darum, dass Accounts geschaffen werden, die nicht echt sind und zu dem Zweck geschaffen werden, zu manipulieren oder den Eindruck zu erwecken, echt zu sein oder viele zu sein."

Reuter sagt, am einflussreichsten ist Desinformation durch Accounts, die über Jahre aufgebaut werden, viele Follower haben, aber trotzdem eben nicht echt sind. Wir könnten jetzt aber auch nicht sagen: Dann machen wir halt ein Gesetz, wonach nur echte Namen verwendet werden dürfen, am besten mit Perso-Abgleich. Weil: Es gibt auch Menschen, die Angst davor haben, wegen ihrer sexuellen Orientierung oder wegen ihres Glaubens fertig gemacht zu werden. Die nennen sich dann auch anders und benutzen ein Pseudonym.

Algorithmus sorgt für Polarisierung, nicht für demokratische Kommunikation

Innerhalb dieser Themenwoche bei Radio Hochstift ging es auch um das Thema Algorithmus, dafür habe ich mich mit Tobias Matzner von der Uni Paderborn unterhalten. Er sagte mir: Bei allen Schattenseiten: Ohne Algorithmus wird es schwierig, weil das Internet so groß ist, dass wir eine Art Filter brauchen. Markus Reuter von netzpolitik.org sagt aber:

"Die Maschine, die hintendran entscheidet, welche Inhalte ausgespielt werden, die ist immer darauf ausgerichtet, das Interaktionsreichste, das Polarisierendste zu bringen. Das führt nicht dazu, dass die demokratischen, vernünftigen Inhalte nach vorne gepusht werden, sondern dass immer das, was polarisiert vorne ist und das ist eine schlechte Grundlage für eine demokratische Kommunikation."

Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt auf einer ihrer Seiten: „Im Vorfeld von Wahlen stellt sich zunehmend die Frage, welchen Einfluss haben Bots und andere Formen automatisierter Kommunikation auf Meinungsbildung und Wahlentscheidung? Wer kontrolliert den Diskurs in den sozialen Medien?“ Und dabei geht es auch um gezielte Desinformation der Nutzer. Das ist ein Thema, wenn es um Social Media geht. Desinformation, ob staatlich oder privat hat es aber immer schon gegeben, so Reuter. Sie wird sich nur verändern, sodass wir vielleicht irgendwann nur noch "deep fake Videos" sehen, wo man Videos so manipulieren kann, dass man nicht mehr unterscheiden kann, ob sie echt oder unecht sind. Er sagt auch: eine Regulierung dessen ist schwierig:

"Man will ja auch nicht, dass der Staat kontrolliert, was Wahrheit, Realität oder Echtheit ist. Dann hat man ein Informationsministerium - eine Horrorvorstellung. Auf der anderen Seite ist die Antwort auch zu einfach zu sagen, die Leute müssen alle Medienkompetenz lernen und wir machen jetzt ganz viele Volkshochschulkurse."

Fakt ist: Nutzerinnen und Nutzer müssen sich eines bewusst machen: Es ist nicht alles echt auf Social Media und es wird dort gelogen: 

"Heute kann ich mir in der zersplitterten Internet-Mediengesellschaft eine komplett abgehobene Welt bauen, in der keine Realität der anderen gilt. Und das ist eine Gefahr, wenn wir gar nicht mehr miteinander reden können, weil sich Gruppen abkapseln und ihre eigene Wahrheit pflegen."

Noch einmal: Was können wir tun? Reuter meint: Es fängt schon damit an, dass man eben nicht alles blind teilt, was unsere Emotionen anspricht, sondern dass man erstmal prüft: Wer oder was steckt dahinter? Das liegt in der Verantwortung jedes einzelnen von uns.

 


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Dort gibt es auch Links mit Tipps zum sicheren Umgang mit Social Media.